Sehr geehrte BVfK-Mitglieder,
der freie EU-Neuwagenhandel hat viele Facetten, wobei es streng genommen weder EU-Neuwagenhandel, noch EU-Neuwagenimport heißen dürfte, denn wenn ein Hersteller sich, wie fast alle, fürs selektive Vertriebssystem entschieden hat, darf er sich seine Händler aussuchen und die sind nun mal bekanntermaßen alles andere, als frei.
Seit Beginn des Internetzeitalters leidet der gesamte Neuwagenhandel mehr als der Gebrauchtwagenhandel unter allzu großer Transparenz und Vergleichbarkeit, was längst auch die so genannten Parallelimporteure erreicht hat. Das verschärft den Wettbewerb und führt schon bei weniger gut aufgestellten Marktteilnehmern zu Mini-Margen von wenigen 100 €. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.
Das zieht dann regelmäßig erhöhte Risikobereitschaft nach sich und von Risiken ist der Neuwagen-Acker gespickt, wie ein Minenfeld. Die Stichworte heißen bekanntermaßen „Lockvogelangebote“ und „Schneeballsysteme“ und bilden zusammen oft eine tragische Mischung, die so manchen, der eigentlich das Zeug zum seriösen Geschäftsmann hat, mit ins Verderben reißt.
Während Lockvogelangebote Teil einer gezielten, vorsätzlich wettbewerbswidrigen Strategie sind, unterscheiden sich Schneeballsysteme in solche, die mit komplexen Strategien und krimineller Energie betrieben werden und andere, die sich mehr oder weniger zufällig entwickeln.
Das geschieht dann, wenn die dünnen Margen schon lange nicht mehr für gesunde Erträge ausreichen, allerdings mittels von Schnäppchen-geilen und am Ende doch nicht umfassend geschützten Verbrauchern in Verbindung mit besonders günstigen Angeboten bereitwillig herausgerückten Anzahlungen und Vorkasse-Leistungen für erfreuliche Liquidität gesorgt wird.
Wenn dann, von außen kaum feststellbar, die Lieferzeiten immer länger werden und die des Herstellers längst weit überschreiten, kann man davon ausgehen, dass die Anzahlungen inzwischen nicht mehr die Lieferanten erreichen, sondern zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes, wenn nicht gar für die Subventionierung der deutlich unter EU-Normalniveau liegenden Preise verwendet werden.
Dies vorweg geschickt gilt es von einem Fall zu berichten, den die BVfK-Rechtsabteilung seit gut sechs Monaten beschäftigt.
Da hatten sich einige mal wieder etwas ganz Besonderes einfallen lassen:
Unschlagbare Preise für Wunschbesteller in Verbindung mit sofortiger Mobilität mittels kostenlosen Leihwagens für die Zeit bis zur Lieferung des neuen Traumautos. Voraussetzung: Überweisung des vollen Kaufpreises bei Vertragsabschluss.
Es gibt Kriminalpsychologen, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, dass Rabattgeilheit nicht vor gebildeten und lebenserfahrenen Menschen Halt macht und selbst solche, die nicht einmal ihrem Nachbarn 500 € ohne Sicherheit leihen würden, dazu veranlassen, einfach so mir nichts dir nichts im Zusammenhang mit einem Internetautokauf fünfstellige Beträge an jemanden zu überweisen, dem sie noch nie begegnet sind.
Vorliegend spielt sicherlich auch die sofortige Verfügbarkeit eines neuwertigen Fahrzeugs im Gegenwert des herausgegebenen Geldbetrages eine beruhigende Rolle.
Was geschieht dann?
Wir wissen nicht, ob unser Parallelimporteur nun tatsächlich die Bestellung auslöst und die Vorkasse-Zahlung auch an einen seriösen Lieferanten, über dessen Bonität er sich versichert hat, weiterleitet. Möglicherweise war es so, doch irgendwann muss das System - eigentlich zwangsläufig - ins Stocken geraten sein, wenn es nicht von vornherein mit betrügerischer Absicht geplant wurde.
Das spielt dann am Ende auch keine Rolle mehr, denn zum erwarteten Zeitpunkt bleibt die Lieferung aus. Der Kunde fragt nach und wird vertröstet. Das Ganze wiederholt sich über viele Wochen. Im Internet werden erste Kritiken laut, doch in den Foren berichten auch begeisterte, möglicherweise jedoch nur gefakte Kunden von erfolgreicher Lieferung.
Schließlich verliert der Käufer die Geduld und kündigt den Vertrag und schon schnappt die Mietwagenfalle zu, denn dieser war nur beim Zu-Stande-Kommen des eigentlichen Neuwagenkaufs kostenfrei. Dem entsprechend folgt die Abrechnung der Mietkosten und wen wundert es: nach dem im Unfall-Ersatzgeschäft üblichen Höchsttarifen. Die nun aufgestellte Forderung für den nicht mehr kostenlosen Mietwagen übersteigt dem entsprechend den Betrag des bereits überwiesenen Kaufpreises für das nie gelieferte Auto und wird mit dem Guthaben verrechnet.
Ergebnis: Geld weg, Traum vom Traumauto geplatzt und auch noch eine Restforderung des Schnäppchenanbieters.
Genial oder kriminell ist hier die Frage. Der Staatsanwalt meint vermutlich sowohl als auch und ermittelt, was dazu führt, dass es nun Bewegung am Geschäftssitz unseres progressiven Kollegen gibt. Die Firma erhält einen neuen Namen und eine entsprechend geänderte Internetpräsenz. Die handelnden Personen sind zunächst die gleichen. Schließlich treten diese jedoch in den Hintergrund, denn sie sind wohl auch damit beschäftigt, in Berlin und London neue Unternehmen zu gründen und für den Transfer von Know-how und Liquidität in Bereiche zu sorgen, die dem Zugriff der Gläubiger zumindest vorübergehend entzogen sind.
Und zu guter Letzt erhält diese Geschichte auch noch einen gewissen Glamour-Faktor. Wer nach dem Namen der Geschäftsführerin der Ausweich-Übergangs-Transfer-Firma in Berlin googelt, landet in den Klatschspalten der Yellow-Press und findet dort eine angeblich mittellose Dame mittleren Alters, die sich mit ihrer Tochter, einem so genannten It-Girl, welches bereits zu den TV-Bachelor-Kandidatinnen zählte und ihren aufwändigen Lebensstil in den Szene Metropolen in Europa und USA angeblich als Escort-Lady verdient, eine mediale Schlammschlacht liefert.
Allerdings spielt Letzteres am Ende keine Rolle, wenn man sich neben den materiellen Schäden bei den Kunden solcher Marktteilnehmer den gigantischen Kollateralschaden anschaut, der durch solche kriminellen Machenschaften entsteht.
Denn nicht nur Kunden, auch der seriöse freie Handel erleidet Verluste. Dabei geht es in der Summe um Millionen, auch wenn diese niemand unmittelbar wahrnimmt. Man sieht die in Folge unseriöser Werbepraktiken und zerstörten Vertrauens in den freien Handel entgangenen Geschäfte nicht. Man merkt nur, dass es schwieriger wird und fängt langsam ebenfalls verzweifelt an, nach der rettenden Idee zu suchen und plötzlich nimmt alles (hoffentlich nicht) seinen Lauf…
Daher kann es für einen Verband, wie den BVfK nur eine Herangehensweise geben: Mit größter Konsequenz jegliche Art von fragwürdigen Geschäftsmethoden anzuprangern und zu verfolgen. Es gibt keine Toleranzgrenze, auch wenn man sich da in der Branche nicht immer einig ist.
„Image ist Ertragsfaktor“ gilt mehr denn je und beim BVfK ist dies nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein auf ein umfangreiches Regelwerk und entsprechende Kontrollmechanismen fußende gelebte Praxis.
Nicht etwa, weil es schön ist, wenn einem nicht nur politische Prominenz dafür auf die Schulter klopft, sondern weil es einzig und allein nur darum geht, dafür zu sorgen, dass es bei Ihnen, verehrte BVfK-Mitglieder in der Kasse nach dem Motto klingelt:
"Alles Gute für Ihren Autohandel!"
Ihr
Ansgar Klein
Geschäftsführender Vorstand
Bundesverband freier Kfz-Händler BVfK e.V.
Feedback immer gerne direkt an: vorstand@bvfk.de
… wir sehen uns am 5. Mai beim Großen BVfK-Kongress i.V.m. Rhein in Flammen!